Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine mobile KI-gestützte App für das Dialogische Lesen zur systematischen Förderung sprachlicher Interaktion von Kindern im Vorschulalter in der Situation des Bilderbuchlesens zu entwickeln. In „AI-LIT“ soll das Dialogische Lesen (Whitehurst et al., 1998) mit digitalen Bilderbüchern skalierbar und vollautomatisiert mithilfe aktueller KI-Methoden umgesetzt werden.
Die Sprachförderung zählt zu den zentralen Herausforderungen der Bildung im Elementarbereich. Trotz intensiver Bemühungen der Länder kommen Begleitstudien zur Wirksamkeit von Fördermaßnahmen regelmäßig zu ernüchternden Befunde, mit weitreichenden Konsequenzen für den Schriftspracherwerb: jedes vierte Kind erreicht am Ende der Grundschule im Lesen nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderung im weiteren Schulverlauf nötig wäre.
Eine empirisch bewährte Methode ist das dialogische Lesen, das auf der Realisierung sprachförderlicher Interaktionen in der Situation des Bilderbuchlesens basiert (Whitehurst et al., 1988) und durch das Akronym PEER beschrieben wird: Ein Prompt regt zunächst gezielt die Sprachproduktion der Kinder an (z.B: bei einer Bilderbuchgeschichte, in der ein Affe einen Ball kaputt gemacht hat:„Was hat der Affe gemacht?“), Evaluate analysiert die Äußerung des Kindes („Ball putt“), die mit Extend sprachlich „modelliert“ und zum Beispiel in sprachlich korrigierter Form als Recast wiederholt und kommunikativ passend erweitert wird („Ja, genau! Der Affe hat den Ball kaputt gemacht“). Repeat hält durch weitere Nachfragen den Dialog im Gang („Wie ist denn das passiert?“). So entwickelt sich ein natürlicher Dialog, in dem Kinder sich innerhalb der Zone der nächsten Entwicklung (Vygotsky, 1986) neue sprachliche Strukturen aneignen und den Wortschatz erweitern können.
Studien und Meta-Analysen (Flack et al., 2018; Mol et al., 2009; Swanson et al., 2011) zeigen die Wirksamkeit des dialogischen Lesens auf den rezeptiven und produktiven Wortschatz sowie auf die Entwicklung der Bildungssprache und der Erzählfähigkeiten für verschiedene Settings und Zielgruppen, auch für den deutschsprachigen Raum (Besca et al., 2024; Ennemoser & Hartung, 2017). Ein breiter Transfer in die Kitapraxis scheitert bei traditioneller Umsetzung jedoch u.a. an personellen Ressourcen. Und obwohl bereits in aktuellen Studien digitale Bilderbücher eingesetzt werden (Cordes et al., 2023), ist für das dialogische Lesen immer noch eine pädagogische Fachkraft für eine Kleingruppe von 2-3 Kindern erforderlich.
Die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) eröffnen ganz neue Möglichkeiten für eine skalierbare Umsetzung. Das Projekt „AI-LIT“ nutzt diese und zielt darauf ab, das dialogische Lesen mit digitalen Bilderbüchern skalierbar und vollautomatisiert mithilfe aktueller KI-Methoden umzusetzen, als individuelle Intervention in Form einer mobilen App verfügbar zu machen und schließlich in den Praxisalltag zu integrieren. Dafür wird auf Basis aktueller computerlinguistischer Methoden, automatischer Spracherkennung und Large Language Models ein Dialogsystem entwickelt, das den Prinzipien des dialogischen Lesens folgend sprachlich mit den Kindern interagiert.
Darüber hinaus wird die Generierung individuell zugeschnittener Bilderbuchgeschichten exploriert: Kindern wird ermöglicht, in einem ko-Konstruktiven Prozess mit der KI eigenen Geschichten nach ihren Interessen und Vorstellungen zu entwickeln. Pädagogische Fachkräfte können die Geschichten an die Sprachentwicklung der Kinder anpassen, in die Inhalte mit relevanten sprachlichen Mitteln angereichert werden.
Eine randomisiert kontrollierte Feldstudie soll die Wirksamkeit der AI-LIT-App überprüfen und evidenzbasierte Ergebnisse liefern.
Derzeit sind im Projekt AI-LIT folgende Stellen ausgeschrieben:
Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) Tübingen
Die AG „Sprache und KI in der Bildung“ unter Leitung von Prof. Dr. Detmar Meurers koordiniert das Projekt und verbindet pädagogische Ansätze mit modernster KI-Technologie.
Prof. Dr. Detmar Meurers (Projektkoordination)
Dr. Kordula De Kuthy (Wissenschaftliche Leitung)
Institut für Informatik, PH Ludwigsburg
Jun.-Prof. Dr. Heiko Holz bringt Expertise im Bereich der App-Entwicklung zur Sprachförderung, KI-Entwicklung und Dialogsysteme in das Projekt ein.
Jun.-Prof. Dr. Heiko Holz (Projektkoordination)
Institut für Sonderpädagogische Förderschwerpunkte, PH Ludwigsburg
Prof. Dr. Marco Ennemoser, einer der führenden Forscher zum Dialogischen Lesen im Vorschulalter, begleitet das Projekt mit seiner pädagogisch-didaktischen Expertise (Ennemoser et al., 2013; Ennemoser & Hartung, 2017)
Prof. Dr. Marco Ennemoser (Wissenschaftliche Leitung)
Institut für Informationsverarbeitung, Leibniz Universität Hannover
Dr. Hanna Ehlert und Prof. Dr.-Ing. Jörn Ostermann entwickeln eines der zuverlässigsten Systeme für die automatische Spracherkennung von Kindersprache in Deutschland.
Dr. Hanna Ehlert (Wissenschaftliche Leitung)
Prof. Dr.-Ing. Jörn Ostermann (Wissenschaftliche Leitung)